Die meisten Arbeitnehmer finden lebenslanges Lernen wichtig für ihren Job. Aber nur wenige machen regelmäßig Fortbildungen. Vor allem, weil der Chef sie nicht fördert.
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt grundlegend. In den meisten Jobs brauchen Beschäftigte stetig frisches Know-how, weil sich Software, Hardware und Prozesse immer wieder verändern. Da verwundert es nicht, dass die meisten Berufstätigen davon ausgehen, dass sie in Zukunft auf mehr berufliche Weiterbildungen angewiesen sein werden. Mehr als drei Viertel glauben sogar, dass es für ihn oder sie berufliche Nachteile haben wird, wenn Fortbildungen nicht ermöglicht werden. Und immerhin jeder Zweite wäre selbst dann hochmotiviert bei einer Bildungsmaßnahme dabei, wenn er dazu vom Chef verpflichtet würde.
Das sind nur ein paar der Ergebnisse einer aktuellen Befragung von mehr als 10.000 Mitarbeitern aus Betrieben unterschiedlicher Größen und Branchen in ganz Deutschland. Durchgeführt wurde die Umfrage von der Hochschule für angewandtes Management und der Vodafone Stiftung. Eine weitere Erkenntnis sorgt indes für Stirnrunzeln: Eine große Mehrheit der befragten Erwerbstätigen gab an, dass Fortbildungen für ihren Vorgesetzten nur eine untergeordnete Rolle spielten und es nur wenig strukturierte Bildungsangebote in ihrem Unternehmen gebe.
Die Mehrheit der Befragten fühlt sich vom Chef also zu wenig beim Lernen unterstützt. Und das, obwohl zwei Drittel angaben, dass sie für ihren Job regelmäßig Neues lernen müssten. Lernen scheint in vielen Unternehmen dem Einzelnen selbst überlassen zu sein und wenig organisiert zu erfolgen. Nicht einmal jeder dritte Befragte in der Untersuchung gab an, dass in seinem Betrieb eine ausgeprägte Lernkultur bestehe.
Noch verrückter: Obwohl nach Ansicht von so gut wie allen Befragten ihr Job nicht ohne lebenslanges Lernen machbar ist, sind Weiterbildungen nur bei jedem Vierten ein Thema in Mitarbeitergesprächen mit dem Chef. Je älter die Arbeitnehmer sind, desto weniger wird der Untersuchung zufolge mit ihnen über Fortbildungen gesprochen. Ein Ergebnis, das sich mit anderen Studien und auch Zahlen von der Agentur für Arbeit deckt: Vor allem Beschäftigte über 50 Jahren erhalten kaum noch berufliche Weiterbildungen.
Das Unternehmen nutzt das erworbene Wissen gar nicht
39 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, dass der Vorgesetzte selbst die möglichen Angebote für eine Weiterbildung gar nicht kennt. Machen die Chefs darum in den Personalgesprächen einen Bogen um das Thema betriebliches Lernen – oder liegt das auch an den Kosten? Leider gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, wie viel Arbeitgeber in berufliche Bildung investieren.
Die Führungskräfte sind so etwas wie Torhüter der betrieblichen Bildung. Sie entscheiden in der Regel darüber, wer eine Maßnahme nutzen darf und fürs Lernen freigestellt wird – oder wem das Unternehmen eine Fortbildung bezahlt. Sie sind es auch, die dem Mitarbeiter beratend zur Seite stehen und später darauf achten sollten, dass das neue Wissen auch einen wirklichen Mehrwert für die Arbeit in der Abteilung bietet.
Gerade hier liegt ein Manko: Nicht einmal jeder zehnte Befragte gab an, dass sein Vorgesetzter ihn gut unterstütze. Und wer in den Genuss einer Weiterbildung kommt, erlebt häufig, dass er danach zwar über frisches Know-how verfügt, der Arbeitgeber dieses Wissen aber gar nicht nutzt. Nur 18 Prozent der Befragten sagten, dass ihr Chef ihre Aufgaben nach einer Bildungsmaßnahme auch an die neuen Fähigkeiten anpasse oder sie überhaupt abfrage und für die Arbeit nutze.
Ob Beschäftigte eine Weiterbildung bekommen, hängt somit maßgeblich von ihrer Eigeninitiative ab. Doch die mangelnde Unterstützung frustriert offenkundig, denn nur jeder Dritte bemüht sich der Umfrage zufolge aktiv um Bildungsmaßnahmen. Es erklärt auch, warum nur so wenige Berufstätige ihr Recht auf Bildungsurlaub nutzen – lediglich zwei Prozent der Arbeitnehmer hierzulande nehmen regelmäßig die zusätzlichen freien Tage für betriebliche Bildung pro Jahr in Anspruch. Die Arbeitnehmer sind allerdings auch selbstkritisch. Nicht einmal jeder Vierte bescheinigt sich die nötige Disziplin für eine Weiterbildung und drei Viertel geben an, sie hätten Schwierigkeiten, neu erworbenes Wissen schließlich erfolgreich in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Die Studie zeigt: Obwohl Arbeitnehmer Weiterbildungen generell wichtig finden und gerne aktiver lernen würden, tun es die wenigsten auch. Die größte Hürde ist neben dem Chef auch der innere Schweinehund.
Interessant ist der Blick auf die Geschlechter. Beim Zugang zu Weiterbildungen gibt es keinen großen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Allerdings: Während die befragten Frauen häufiger angaben, sie hätten Wissenslücken oder ihnen fehlten Kompetenzen, zeigten die befragten Männer sich hier deutlich weniger selbstkritisch.
Dieses Phänomen zeigte sich schon in zahlreichen anderen Untersuchungen. Frauen schätzen ihre eigene Leistung, ihre Kompetenz und ihr Wissen im Schnitt geringer ein als Männer. Forscher vermuten einen Zusammenhang mit Geschlechterstereotypen, wonach Frauen generell zurückhaltender und weniger leistungsorientiert sein sollen. Generell scheinen Frauen etwas interessierter und offener für Weiterbildungsangebote zu sein.
Lernstile hängen vom Alter ab
Die Forscher wollten in der Untersuchung außerdem herausfinden, welche Form des Lernens die Beschäftigten präferieren. Schließlich verändert die Digitalisierung auch das Lernen selbst. Besonders ältere Mitarbeiter fragen demnach sogenanntes E-Learning nach. Sie beschäftigen sich mit höherer Motivation, aber auch kritischer damit, während die Berufseinsteiger digitale Inhalte eher unkritisch zu konsumieren scheinen.
Für viele Unternehmen ist E-Learning attraktiv, weil diese Form der Weiterbildung zeit- und ortsunabhängig eingesetzt werden kann. Und sofern keine Live-Module mit einem Trainer nötig sind, kosten digitale Bildungsinhalte das Unternehmen weniger als Präsenzlehre oder sogenanntes Blended Learning, einer Mischung aus Live-Elementen mit einem Trainer und reinen E-Learning-Modulen. Daten des Statistikportals Statista zeigen, dass Unternehmen in Deutschland immer stärker in digitale Lernangebote investieren.
Laut der Studie zeigen sich im Erwachsenenalter drei verschiedene Lernstile, die abhängig vom Alter sind:
- Die Aktivisten sind neugierig und experimentieren gern. Sie lernen am liebsten durch eigene Erfahrung und sind eher praktisch orientiert. Learning by doing ist ihr Motto. Für diesen Lerntyp ist Training on the job daher eine geeignete Methode.
- Die zweite Gruppe sind die Beobachter. Sie sind eher zurückhaltend und sehen anderen erst einmal zu. Dieser Lerntyp bevorzugt der Studie zufolge Hospitationen und Mentoring.
- Dann gibt es noch die Nachdenker. Sie möchten verstehen, wie etwas funktioniert und benötigen vor einer Aufgabe erst einmal alle Fakten. Sie nähern sich Neuem erst einmal gedanklich.
Der Studie zufolge lernen besonders Berufsanfänger zunächst über Beobachten. Ältere Männer scheinen den Stil des Nachdenkers zu bevorzugen, was aber möglicherweise schlicht mit einem Geschlechterklischee in dieser Generation zu tun haben könnte. Bei Frauen lässt sich der Untersuchung zufolge kein präferierter Lernstil ausmachen.
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